Neugierde & Weltentdeckungsdrang. Warum wir reisen, hat viele Gründe und ist für jeden Menschen unterschiedlich. Viele Menschen fahren in den Urlaub, um der Alltagsroutine zu entfliehen und sich endlich mal wieder zu entspannen (zum Blogartikel: “Entspannung im Urlaub“). In diesem Fall will man weg von etwas. Weg vom Alltag, dem Stress und der Anstrengung.
Aber auch der Drang, die Welt zu sehen, neue Orte zu erkunden, fremde Kulturen zu entdecken und neue Menschen kennenzulernen, ist ein Grund zu Reisen. In diesem Fall will man weniger weg von etwas, sondern viel mehr, hin zu etwas. Einen wichtigen Punkt beim Reisemotiv „Entdeckungsdrang“ spielt die Neugierde.
Aber was ist Neugierde überhaupt genau? Und warum verstärkt sie unser Fernweh? (zum Blogartikel: “Fernweh – Die Sehnsucht nach der Ferne.”)
Neugierde beschreibt ein Verhalten bzw. eine Emotion, bei dem in einem Menschen der Wunsch auftritt, etwas Neues zu lernen oder zu erfahren. Es handelt sich bei Neugierde also um einen Zustand, in dem wir besonders wissensdurstig sind. Neugierde wird von Psycholog*innen als grundlegende Emotion verstanden, genauso wie Freude, Ekel oder Wut.
Der Begriff epistemische Neugier stammt aus der Psychologie und beschreibt eine bestimmte Form der Neugier, bei der wir neue Informationen und Wissen erlangen wollen.
In einem Zustand der Neugier befindet sich jeder Mensch ab und zu. Es gibt jedoch Menschen, die deutlich neugieriger sind als andere. Bei diesen Menschen ist die Neugierde fest als Persönlichkeitseigenschaft verankert. Bei anderen Menschen dagegen tritt sie nur hin und wieder auf.
Der Psychologe William McDougall schlussfolgerte anhand seiner Forschung, dass Neugierde als angeborener Instinkt von Geburt an in jedem Menschen fest verwurzelt ist, und anschließend durch die Erziehung, die Gesellschaft und die Kultur, in der man aufwächst, geprägt wird.
Wie stark dieser Instinkt in uns veranlagt ist, hängt neben der Sozialisation auch von unseren Genen ab. Forscher*innen gehen immer mehr davon aus, dass die Neugierde ein zutiefst biologischer Mechanismus ist.
Auch die Psychologie der Persönlichkeit beschäftigt sich mit Neugierde. Psycholog*innen stellten die Big Five Persönlichkeitsfaktoren auf. Dabei handelt es sich um einen Ansatz zur gesamtheitlichen Beschreibung der menschlichen Persönlichkeit. Die fünf enthaltenden Faktoren gelten als die empirisch am besten belegten Persönlichkeitsmerkmale. Einer dieser fünf Faktoren ist die „Offenheit für neue Erfahrungen“. Diese umfasst die Neigung zur Wissbegierde und das Interesse an neuen Erfahrungen. Aber auch die Neigung zur Erkundung unbekannter Situationen gehört dazu.
Die Welt gehört den Neugierigen.
Diese drei Fragen sind der Antrieb hinter fast jeder Entdeckung der Menschheit. Sie waren der Motor hinter der Entdeckung des Feuers, der Fähigkeit in Gruppen zu Arbeiten und zu Jagen, der Erfindung von Werkzeugen, der Elektrizität und der Mondlandung. All jenes ist das Ergebnis menschlicher Neugier.
Das Prinzip der Neugier ist ein evolutionsförderliches Prinzip: Sie gilt als Motor aller Neuerungen und als wichtigste Grundlage der intrinsischen Motivation. Der Neugierde unserer Vorfahren haben wir alle kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen der Menschheit zu verdanken.
Gäbe es die menschliche Neugierde nicht, würden wir vermutlich immer noch in Höhlen leben. Sämtliche technologische und medizinische Fortschritte, Forschung und Neuerungen haben wir unserer angeborenen Neugier und dem Entdeckungsdrang unserer Vorfahren zu verdanken. Und den drei einfachen Fragen: Was? Wie? Warum?
Neugierde dient also als Motor aller Neuerungen und ist in unseren Genen verankert. Was aber passiert in unserem Gehirn, wenn wir neugierig sind? Oder viel mehr, was passiert, wenn wir unsere Neugierde stillen können? Denn genau das ist es schließlich, was wir auf Reisen tun. Während wir neue Orte entdecken und fremde Kulturen erkunden, stillen wir unsere Neugierde.
Neurolog*innen konnten zeigen, dass es zu einer erhöhten Aktivität in unserem Belohnungszentrum des Gehirns kommt, wenn wir unsere Neugierde stillen. Aber schon allein der Wunsch etwas wissen zu wollen, das neugierig sein, aktiviert diese Areale in unserem Gehirn. Noch bevor wir unsere Neugierde gestillt haben, wird das Belohnungszentrum aktiv. Dort wird anschließend Dopamin freigesetzt, welches, vereinfacht dargestellt, bei uns Glücksgefühle erzeugt und dazu führt, dass unser Verlangen nach neuem Wissen und Erfahrungen verstärkt wird. Man könnte fast sagen, unser Wunsch nach neuem Wissen, neuen Erfahrungen und nach dem Reisen beginnt als Wunsch nach Glücksgefühlen.
Unsere angeborene Neugierde sorgt also dafür, dass wir neues entdecken wollen. Wir wollen die Welt sehen und möglichst viel über sie erfahren und so neues Wissen sammeln.
Menschen mit einer hohen Offenheit für neue Erfahrungen, sind meistens auch sehr neugierig. Sie suchen aktiv nach neuen Erfahrungen und haben eine Neigung zur Erkundung von unbekannten Situationen. Also genau das, was einem eine Reise gibt. Und dabei gilt vermutlich: je neuer die Erfahrung und je unbekannter die Situation desto besser (zum Blogartikel: Neugierde & Weltentdeckungsdrang. Faszination Wildnis – Teil 2 ).
„Werde wieder wie ein staunendes Kind, das die Welt entdeckt. Jeden Augenblick neu“. – Tibetisches Sprichwort
Die epistemische Neugier, die bei einigen Personen stärker ausgeprägt ist als bei anderen, stellt eine Erklärung für den Entdeckungsdrang auf Reisen dar. Menschen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal haben Lust Neues zu entdecken und Freude am Lösen von Probleme. – Und davon gibt es auf einer Reise in die Wildnis nicht grade wenige. Moskitos, wilde Tiere, die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz, Kommunikationsprobleme oder das Verstehen der Straßenordnung sind nur ein Paar der Herausforderungen, vor die uns eine Reise ins Unbekannte stellt.
Nicht zuletzt löst allerdings nicht die Situation selbst die Neugier aus, sondern wie wir sie beurteilen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf lässt sich auch erklären, warum nicht alle Menschen danach streben zu Reisen oder fasziniert sind von der Wildnis, Safaris oder dem Amazonas.
Die Neugierde aufs Reisen und das Entdecken von neuen Orten lässt sich grade nur virtuell stillen. Aber es ist nicht unmöglich und zumindest ein kleiner Trost. Reisevideos auf YouTube (z.B. Grenzenlos die Weltentdecken), die Plattform Window-Swap, oder der Austausch über Reisen auf Instagram sind Möglichkeiten, sich trotzdem in die Ferne zu träumen.
Eine weitere Möglichkeit sind kleine Mini-Abenteuer vor der eigenen Haustür. Einfach mal einen anderen Bus oder Zug nehmen und schauen, wo man ankommt. Auch das achtsame Erkunden der Strecken, die man jeden Tag geht, kann dazu führen, wieder neugieriger durch den Tag zu kommen (zum Blogartikel: “Reisealternativen in Zeiten von Corona.“).
Eberle, U. (2015). Die Macht der Neugier. GEO KOMPAKT Nr. 44 – 09/15
Fellmann, M. & Krause, T. (2015). Was gibt’s denn da zu gucken?. Süddeutsche Zeitung Magazin. 13/2015.
Franke, M. (2021). Neugierde: Warum die „kindliche“ Erfolgseigenschaft so wichtig ist.
Gruber, M., Gelman, B. & Ranganath, C. (2014). States of curiosity modulate hippocampus-dependent learning via the dopaminergic circuit. Neuron, 84 (2), 486-496.
Lexikon der Psychologie. (2000). Big Five Persönlichkeitsfaktoren. Spektrum der Wissenschaft
Zukunftsinstitut (2021). Was macht Menschen neugierig? https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/was-macht-menschen-neugierig/